Interview mit Ditte Marcher - ein Auszug


Rückbesinnung auf unsere Emotionalität

Frage:

Wenn du auf unsere Zeit schaust, die Gesellschaft, die Welt im Jahr 2023 und in die Zukunft, was hälst du für das drängendste oder wichtigste Thema und was kann Bodynamic dazu beitragen?

Ditte: Uns wieder auf unsere Emotionen zu besinnen. Wir sind dazu übergegangen, unsere Emotionen zu übergehen, uns dafür selbst zu beschämen. Auch die gesunde Scham, die gesunde Furcht, die gesunde Traurigkeit, den gesunden Zorn und den natürlichen Ekel. Wir sind dabei, eine Gesellschaft zu erschaffen, in der es keine Emotionen mehr gibt.

Wir sollen uns nicht fürchten, wir sollen nicht traurig oder wütend sein. Wir versuchen, den Schmerz und schmerzhafte Emotionen zu vermeiden, und alles, was unser emotionales Zentrum aktivieren könnte. Wir verabreichen lieber Antidepressiva, wenn jemand geschieden wird oder einen Verlust erlebt, anstatt zu lernen, mit dem Verlust umzugehen.

 

Es ist sehr gesund, traurig zu sein, oder wütend oder ängstlich, solange es wir damit nicht in Panik verfallen. Je mehr wir unsere Emotionen vermeiden und unterdrücken, desto mehr überlassen wir die Steuerung unserem Überlebensmodus mit seinen Instinkten. Aus Furcht wird dann Panik und dann werden wir von der Panik gesteuert und das lähmt uns. Oder wir werden von mörderischer Aggression statt von gesundem Ärger (der „Stop“, es ist genug, sagt, aber im Kontakt bleibt) gesteuert. Anstatt von gesundem Ekel, der wegstösst und für uns toxisches markiert, gesteuert zu werden, wird uns ein Brechreiz und Übelkeit überkommen.

 

Auf diese Weise verlieren wir zusehends die Fähigkeit als soziale Wesen zu funktionieren und so in gegenseitiger Verbundenheit zu bleiben.

 

Dass ist für mich gerade das wichtigste, sich an unseren großartigen Emotionen zu erfreuen, und zu erkennen, dass sie in Wirklichkeit unser menschliches Zusammenleben regulieren und dazu beitragen, dass wir gesund, gut und in Würde miteinander leben können.

 



Umgang mit diffusen Ängsten, emotionalen Spannungen und innerer Unruhe

Bodynamic zur aktuellen Corona Lage


Für viele für uns geht die Sorge um die eigene Gesundheit, und um die Gesundheit derer, die uns lieb und nah sind sowie die Einschränkungen der eigenen Mobilität mit einer erhöhten emotionalen Belastung und Unruhe einher.

 

Was können wir dagegen tun?

 

Zunächst einmal geht es darum, besser zu verstehen, wie die momentane Ausnahmesituation sich auf unser Gefühlsleben niederschlägt. Instinktiv versucht der Mensch sich bei aufkommender Gefahr und Bedrohung zu orientieren, um so mehr Informationen über den tatsächlichen und unmittelbaren Grad an Bedrohung zu erfahren. Im Besten Fall kann er so das Bedrohungspotential einschätzen und nach einer Reihe von Maßnahmen wieder zur Normalität zurückkehren – und sich dann wieder entspannen.

 

Aber genau hier liegt auch schon ein Teil des Problems: wir bekommen ständig neue, beunruhigende Informationen, teilweise sogar widersprüchliche oder falsche. Mit anderen Worten, es kommt zu keiner Entwarnung!

Das heißt, wir können uns nicht neu orientieren und dann zur alten Ordnung zurückkehren, wir bleiben orientierungslos und damit verunsichert zurück. Wir erleben zusehends einen permanenten Unruhezustand in Verbindung mit diffusen – weil unbestimmbaren – Ängsten und anderen emotionalen Spannungen, wie z.B. Frustration und Wut.

 

Wie könnten wir also trotz mangelnder Informationen und fehlender Neuorientierung zu innerer Ruhe und Entspannung zurückkehren?

 

Und es geht noch weiter….

Gegenseitige Verbundenheit in der Zeit der Corona Pandemie


Die mannigfaltigen Sicherheitsvorkehrungen in dieser Gesundheitskrise, haben zur Folge, dass obendrein die Mobilität und die sozialen Kontakte massiv einschränkt wurden. Normalerweise würden wir ohne schnelle Neuorientierung und neuem Sicherheitsgefühl einfach versuchen, zu gewohnten Aktivitäten zurückzukehren, oder uns einfach fortbewegen, wegfahren oder verreisen. Aber auch dies ist nicht möglich. Unsere Mobilität im außen und auch unsere beruflichen Aktivitäten – abhängig von den persönlichen Umständen – sind auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.

 

Eine Normalisierung ist also doppelt erschwert. Dies ist umso bedauerlicher, als dass unser Explorationsmodus (Autonomie ) nach erfolgter oder erzwungener Neuorientierung normalerweise für positive Gefühle von Neugierde, Freude und Hoffnung sorgt. „Explorieren“ schafft damit einen positiven Ausgleich. Außerdem ist damit auch die Möglichkeit verbunden, Restanspannung und Stress über Bewegung abzubauen.

 

Wir sind also gerade in der misslichen Lage, uns weder neu orientieren und somit entspannen zu können, noch zu einer normalen Aktivität bzw. zu unserem freudvollen Explorationsmodus zurückkehren zu können.

Wir stecken also tatsächlich in einer Art Wiederholungsschleife fest und sind zunehmend unfähig, unsere emotionale Befindlichkeit angemessen zu regulieren.

 

Aus der Perspektive unseres Nervensystems könnte man feststellen, dass wir uns in einem Kreislauf von mittelgradiger, permanenter sympathischer Erregung bewegen. Die Parallele zu einer traumatisch verursachten Übererregtheit des Nervensystems wie z.B. bei einer Traumafolgestörung (PTSB = Posttraumatische Belastungsstörung) liegt auf der Hand.

 

Jede weitere emotionale Belastung, eine kleine Kritik des Partners, finanzielle oder andere Zunkunftssorgen können dann dazu führen, dass der Stresslevel in den traumatischen Bereich steigt. Sobald diese Grenze überschritten ist schaltet unser Organismus auf Überlebensmodus um, dh. wir fühlen uns extrem bedroht und dabei gleichzeitig hilflos und ausgeliefert. Wir nehmen dann unsere Umwelt und andere Personen als feindselig und potentiell bedrohlich wahr. In der Folge verlieren wie die emotionale Verbindung mit anderen Menschen, auch den uns nahen Personen oder dem Partner. Wir verlieren dadurch also weitere Möglichkeiten der externen Unterstützung und Beruhigung. An diesem Punkt kann ein sich selbst perpetuierender, traumatischer Stresskreislauf entstehen, mit all seinen negativen Folgeerscheinungen, u.a. auch einem geschwächtem Immunsystem!

 

Der sichere emotionale Kontakt mit anderen Menschen ist in dieser Zeit also von besonderer Bedeutung für uns, er gibt uns den Halt und die Sicherheit und damit auch die Möglichkeit zur Entspannung, die wir jetzt dringender als vorher brauchen.

 

Im besten Falle wird dieser Kontakt von gegenseitiger Verbundenheit mit derselben Person getragen. Aber was heißt gegenseitige Verbundenheit? Gegenseitige Verbundenheit kann zwischen einer oder mehreren Personen entstehen, wenn gleichzeitig jeder seine Individualität, Autonomie und Selbstbestimmung beibehält. Dabei spielt unser Körper Selbst eine wichtige Rolle, da es uns in unserem eigenen Selbstgefühl, angefangen mit unserem Zentrum, verankert.

Bodynamic Wege zur Zentrierung


In Bodynamic verstehen wir Zentrierung als eine der wichtigsten Fähigkeiten, uns im positiven Sinne auf uns selbst zu beziehen, uns in uns selbst wiederzufinden. Körperliche Zentrierung oder Einstimmung, dh. eine positive Verankerung im eigenen Körper stellen somit die Basis für gegenseitige Verbundenheit dar.

 

Darüber hinaus könnte Zentrierung auch also als eine Art Orientierung oder Ausrichtung nach innen verstanden werden, die uns oben beschriebenen Zustand der emotionalen Anspannung und inneren Unruhe lösen helfen.

Anders wie bei der normalen Orientierung mittels unserer 5 Sinne ist diese besondere Orientierung nach Innen nur mittels eines körpernahen Sinnes, nämlich des Spürsinnes (Interozeption bzw. Propriozeption), möglich.

 

Ein Hindernis kann hier sein, dass viele von uns diesen Sinn nicht sehr entwickelt haben oder aber ihn als unwichtig, weil nur auf das eigene Innere beschränkt, abtun. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der des aktiven oder auch gelenkten Spürens. Diese braucht per Definition eine Art Initialanstrengung, oder aktive Präsenz, damit wir uns besser spüren können.

 

Gleichzeitig gibt uns das umfassende und präzise Wissen von Bodynamic viele Ansatzpunkte, die wir nützen können, um unser Spüren entsprechend auszurichten. Eine sehr wirksame Übung beinhaltet die Fokussierung auf die Sitzbeinhöcker. Ausgangsposition ist die Pharaonenhaltung mit beiden Füßen fest auf dem Boden und den Händen auf den Oberschenkeln.

 

Auf Grundlage dieser Übung bzw. dieser Verfassung werde ich dann weiter anleiten, wie wir einen Zustand gegenseitiger Verbundenheit mit einer oder mehreren Personen herstellen können. Die gegenseitige Verbundenheit auf Grundlage der eigenen „natürlichen Mitte“ hat einen „bestimmten Geschmack“ – Sinn dieses Vortrages und dieser Übung ist es, diesen „Geschmack“ gemeinsam zu vertiefen! Uns also besser miteinander von Herzen zu verbinden und gleichzeitig negative emotionale Spannung und Unruhe zu lösen.