Therapeutischer (Lebens-) Weg


Mein therapeutisches Verständnis


Es ist mir darüber hinaus ein tiefes Bedürfnis, die kartesianische Aufspaltung von Körper und Geist/Psyche zu überwinden und zu einem ganzheitlichen, körperorientierten Ansatz im Verstehen sowie in der therapeutischen Praxis auf wissenschaftlicher Basis beizutragen. Der Körper ist schließlich unser „nächster Freund“ und unser ureigenes „Heimatland“ und wir schöpfen oft nur ein Bruchteil seines großen Potentials aus. In dieser beschleunigten, neurotischen und einseitig kopflastigen Zeit brauchen wir die Verbundenheit mit unserem Körper mehr als je zuvor, um in unserer Mitte und im Hier und Jetzt zu bleiben!

 

Selbsterfahrung & Meditation


 

Ich begann schon mit 19 Jahren an ersten Selbsterfahrungs- und Meditationsgruppen teilzunehmen. Es schien dabei klar, dass dem Körper eine wichtige Rolle im therapeutischen Prozess zu kam, die „Ganzheitlichkeit“ war gerade im Rahmen humanistischer Psychotherapien entdeckt worden und z.B. die Gestalttherapie und noch mehr die Bioenergetik experimentierten mit einer Vielzahl an neuen körperlichen Techniken und Übungen. Allerdings lag der Fokus damals noch stark auf kathartischen Methoden und Emotional Release, oder auf bioenergetischen Stresspositionen, die chronische körperliche Spannungen abbauen sollten. Auch wenn diese Ansätze oft zu starken, befreienden Erfahrungen führten, waren sie doch auch gleichzeitig schwierig in den persönlichen Alltag zu integrieren und bei einigen Teilnehmern führten sie zu einer deutlichen Destabilisierung oder zu regressiven Tendenzen.

 

Nachdem ich mein Dolmetscherstudium abgebrochen hatte wendete ich mich dieses Mal aus beruflichem Interesse der Psychotherapie zu und begann eine zweijährige Ausbildung in verschiedenen humanistischen Therapieformen an dem ICEK Institut in Köln. Dabei lernte ich mehr über die Grundlagen und den entwicklungstheoretischen Ansatz, insbesondere der Bioenergetik, war aber immer noch nicht mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. Die Pathologisierung körperlicher Strukturen, der sogenannten Körpertypen, schien mir dem therapeutischen Heilungsprozess nicht förderlich. Die Bezeichnungen einer z.B. schizoiden oder oralen Persönlichkeit oder die Sichtweise auf den sogenannten Körperpanzer als reiner Abwehr, die es zu überkommen galt, um zum „heilen“ Kern zu gelangen, wurden dem „ganzen“ Menschen nicht gerecht und brachte meiner Erfahrung nach immer wieder sehr gemischte Ergebnisse.

 

Unbestritten war dagegen die Wirksamkeit körperpsychotherapeutischer Arbeit und Interventionen, oder auch des Prinzips der funktionalen Identität von Psyche (Charakter) und Körper nach W. Reich. So machte ich mich auf die Suche nach einem Ansatz, der sich dem Körper auf Grundlage eines anderen Verständnisses und damit einer anderen Praxis annähern sollte. Parallel dazu besuchte ich in dieser Zeit die Heilpraktikerschule und schloss schließlich mit dem „Heilpraktiker für Psychotherapie“ ab.

Inzwischen hatte ich eine Familie gegründet und auf der Suche nach einem festen Einkommen wurde ich als sozialpädagogischer Mitarbeiter in einer Jugendhilfeeinrichtung, NEUE WEGE, angestellt. Nach einigen Jahren der Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen des betreuten Wohnens wurde mir dann die Aufgabe anvertraut, als Teamleitung zwei heilpädagogische Tagesstätten für verhaltensoriginelle Kinder und Jugendliche aufzubauen. Als Teil einer ganzheitlichen Förderung erhielten die Kinder über den therapeutischen Fachdienst psychologische Einzelstunden, Motopädie und für die gesamte Familie familientherapeutische Beratung und Begleitung. Neben der Leitung war ich auch für die motopädische Förderung der Kinder zuständig und leitete die interdisziplinären Teamsitzungen.

Bodynamic - Beginn bis Heute


In dieser Zeit wurde ich auch endlich im Hinblick auf einen fortschrittlichen körperpsychothera­peutischen Ansatz fündig und zwar in Form der Bodynamic Methode. Diese Methode orientierte sich an den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung, war ebenfalls entwicklungsorientiert und hatte ein ähnliches Modell wie Lowen/Reich, das Charakter Struktur Modell, entwickelt. Es behandelte diese Strukturen aber nicht als reine Abwehrhaltungen, sondern richtete den Blick vielmehr auf die dazugehörigen Ressourcen, die Bezeichnungen orientierten sich entsprechend an der Phänomenologie. Außerdem wurde das Konzept muskulärer Reaktion auf Stress und Trauma gemäß Lisbeths´ dualer Reaktionsweise um eine entscheidende Komponente erweitert, nämlich der Resignation bzw. der Erschlaffung von Muskeln unter Stresseinwirkung. Diese Ergänzung hatte natürlich große Auswirkungen auf die therapeutische Praxis und Arbeit, da resignierte charakterliche Strukturen und Haltungen einer ganz anderen Herangehensweise bedürfen. Gerade im Zusammenhang mit der Arbeit an Trauma war diese Erkenntnis von allergrößter Bedeutung, da muskuläres Gewebe und auch die Haltung insgesamt oft unter traumatischem Stress „aufgeben“. Darüber hinaus erlaubte dieses umfassende Modell kindlicher Entwicklung und seiner Phasen sowie die korrespondierende psychomotorischen Entwicklung eine präzise Einordnung von spezifischen Entwicklungstraumata und seinen Ursachen.

 

Ich fing mit dem Foundation Jahr in Holland an und setze dann meine Ausbildung gleich mit dem 3-jährigen Practitioner Training in Griechenland fort.

 

So begann also meine Reise mit Bodynamic, die mich sowohl persönlich wie auch beruflich in neue, ungeahnte Dimensionen vorstoßen ließ. Diese Jahre waren von intensivem Lernen auf der einen und tiefgreifenden persönlichen Veränderungen auf der anderen Seite geprägt.

 

Ganz grundlegend wurde mir in diesen Ausbildungen bewusst, wie wenig ich meinen Körper bis dato wirklich gespürt hatte, es war, als würde ich schrittweise meinen Körper oder meine Körperlichkeit und die dazu gehörige Lebendigkeit neu entdecken!

 

In diesem Zusammenhang wurde mir auch klarer, welche Rolle die verschiedenen Entwicklungs­traumata dabei spielten, punktuelle Deprivation in der Säuglingszeit und später körperliche Schläge, Unterdrückung und Bestrafungen im Alter von ca. 2 bis 4 Jahren. Viele dieser Verhaltensweisen meiner Mutter konnte ich in Zusammenhang mit ihrer eigenen traumatischen Vergangenheit (Stichwort transgenerationales Trauma) durch Flucht und Krieg bringen.

 

Die therapeutische Arbeit an den entsprechenden charakterlichen Strukturen und Haltungen („schockverstärkte Willensstruktur“), lösten sukzessive meine Tendenzen mich selbst zurück­zunehmen und eigenes emotionales Erleben zu kontrollieren bzw. unterdrücken, um einen sicheren Kontakt mit anderen Menschen zu garantieren. Oder um mich äußeren sozialen oder gesellschaftlichen Ansprüchen gegenüber konform zu verhalten. Es war, wie wenn sich langsam der Deckel vom Drucktopf lösen würde, aber dieses Mal nicht unkontrolliert und mittels Katharsis, sondern behutsam und in meinem Tempo. Als Teil dieses Prozesses wurden mir wieder andere, „vergessene“ charakterliche Qualitäten zugänglich, ich wurde emotionaler, lebendiger und folgte spielerisch meinen Impulsen (Autonomie Struktur).

 

Viel davon ließ ich in die motopädische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen einfließen, die dankbar von meiner neugewonnen Spontanität und emotionalen Offenheit profitierten. Parallel dazu begann ich meine Praxis aufzubauen.

 

Mit der Teilnahme am Schock/Trauma Training kam ein weiterer therapeutischer Puzzlestein dazu und ich konnte mein Wissen in Bezug auf die Arbeit an Trauma und Traumafolgestörungen (wie z.B. PTSB) weiter vertiefen. Noch mehr als bei anderen Pionieren der Traumaarbeit wie Bessel van der Kolk, Peter Levine usw. wurde hier die Wichtigkeit körperlicher Herangehensweisen und Techniken („bottom up“) betont. So wurde einerseits das „Körper Ich“ als Träger des körperlichen Erlebens durch die Ressourcenaktivierung spezifischer, Körper basierter Ich-Fähigkeiten, wie z.B. „Erdung“, „Zentrierung“ oder „Affektregulation“ gestärkt, und andererseits gezielt Resterstarrung und nervliche Übererregung durch die Aktivierung des Fluchtreflexes gelöst. Damit ließen sich alte traumatische Erfahrungen sehr wirksam überwinden und integrieren und es war und ist immer wieder erstaunlich, zu welchen posttraumalen Wachstumsschüben Klienten und Teilnehmer anschließend fähig sind!

 

Als 2012 endlich das erste Bodynamic Foundation Training in Deutschland, Münster, anlief, wurde ich eingeladen, neben den Bodynamic Gründern Lisbeth Marcher und Eric Jarlnaes, zu assistieren.

 

Die Teilnehmer waren von meiner Art, die Arbeit zu vermitteln, sehr angetan und so bot ich regelmäßig Vertiefungsworkshops zwischen den Modulen an.

 

In dieser Zeit übernahm ich auch die Organisation für Bodynamic in Deutschland und organisierte Einführungsworkshops und schließlich das erste Foundation Training 2014 in München. 2 der insgesamt 6 Module durfte ich selbst unterrichten. Daneben setze ich meine Bodynamic Ausbildung fort, belegte Masterkurse, wie die „große Bodymap“, „Reorienting birth“ und assistierte das 3-jährige Practitioner Training.

 

Die Bodynamic Arbeit fasste in München gut Fuß und im Folgejahr bekundete auch die UTA Akademie in Köln Interesse an Bodynamic Workshops und Ausbildungen und seit 2016 liefen dort jedes Jahr Foundation Trainings und mindest. 2 Einführungsworkshops, die ich leitete.

 

2015 wurde ich auch von Erik Jarlnaes eingeladen, die Bodynamic Arbeit in Russland, Rostov am Don, zu unterrichten und so leitete ich dort von 2015 bis 2017 verschiedene Foundation Module als auch das Schock/Trauma Training. Die Erfahrung, in Russland, das von der deutschen Wehrmacht brutal überfallen worden war, mit Menschen an ihrer traumatischen Vergangenheit zu arbeiten, berührte mich zutiefst. Ich wurde als „Deutscher“ völlig vorbehaltlos aufgenommen, ja sogar herzlich willkom­men geheißen, und es fühlte sich bald so an, als würden wir alle gemeinsam stellvertretend einen Teil des kollektiven Kriegstraumas zwischen unseren beiden Völkern aufarbeiten. Bis heute denke ich mit besonderer Dankbarkeit an diese Zeit zurück!

 

2016 und 17 folgten Unterrichtsmodule in Brasilien und Portugal und ich wurde damit Mitglied des internationalen Trainerteams von Bodynamic. Außerdem beendete ich in demselben Jahr meine Ausbildung zum Bodynamic Supervisor.

 

In den letzten Jahren habe ich vermehrt an verschiedenen Standorten im deutschsprachigen Raum Einführungsseminare in die Bodynamic Arbeit zu spezifischen Themen angeboten, u.a. „Kontakt- und Bindungsfähigkeit“, „Grenzen in der sozialen Interaktion“, Selbstausdruck und Durchsetzungs­fähigkeit“, „Nachhaltige Integration von Trauma“, „Bindung und die körperliche Konstituierung von Narzissmus“ u.a.

 

Zudem stellte ich den Bodynamic Ansatz und mein gewonnenes körperpsychotherapeutisches Wissen u.a. im Rahmen folgender Veranstaltungen und Medien vor:

 

in Form von verschiedenen Vortragsserien (Einführung in Entwicklungstraumata und die „körperliche Konstituierung von Narzissmus“ am ESI in München), einzelnen Vorträgen, wie z.B. auf den Gestalttagen in Graz („Das Körper Selbst wecken“), dem „Leib und Leben“ Kongress in Bad Gleichenberg sowie dem EABP Jahreskongress in Berlin.

Sowie auch im Rahmen von Interviews

Bodynamic, Entwicklungstrauma, Körperpsychotherapie, Michael Rupp

"Das Verhältnis von Körper, Verstand und Seele, ihre wechselseitigen Beziehungen und die Auswirkungen des einen auf das andere faszinierten mich seit ich denken kann. Über die Handlungen, also die Bewegungen des Körpers manifestieren sich unsere wahren Gedanken und Gefühle, unsere Werte und tiefsten Sehnsüchte. Auf dieser Grundlage ist unser Körper unser akkumuliertes Handeln und Wissen, er ist das „lebende Buch“, das unsere einzigartige persönliche Geschichte erzählt!"

Michael Rupp



Bodynamic, Entwicklungstrauma, Körperpsychotherapie, Michael Rupp


Damit ließen sich alte traumatische Erfahrungen sehr wirksam überwinden und integrieren und es war und ist immer wieder erstaunlich, zu welchen posttraumalen Wachstumsschüben Klienten und Teilnehmer anschließend fähig sind!



Bodynamic, Entwicklungstrauma, Körperpsychotherapie, Michael Rupp


Der Körper ist schließlich unser „nächster Freund“ und unser ureigenes „Heimatland“



Bodynamic, Entwicklungstrauma, Körperpsychotherapie, Michael Rupp


... es fühlte sich bald so an, als würden wir alle gemeinsam stellvertretend einen Teil des kollektiven Kriegstraumas zwischen unseren beiden Völkern aufarbeiten.



Bodynamic, Entwicklungstrauma, Körperpsychotherapie, Michael Rupp